Die Wucht der Unwucht

Wucht, Wuchtgüte und was man darüber wissen sollte

Die meisten von uns kennen die „Unwucht“ vielleicht vom Autofahren her – die Räder „eiern“ und als Folge dessen vibriert das Lenkrad bei höherer Fahrgeschwindigkeit. Woher kommt dies und wie beseitigt man die Unwucht?
Schnellrotierende Körper laufen aufgrund von Herstelltoleranzen (Herstellung und Montage) und gegebenenfalls inhomogenem Werkstoff „unrund“ und erzeugen unerwünschte Vibrationen. Der Massenschwerpunkt und die Rotationsachse sind nicht kongruent. Aufgabe des Auswuchtprozesses ist es, die Unwucht auf das erforderliche Mass zu reduzieren. Komplett vibrationsfrei ist theoretisch möglich, aber in den meisten Fällen nicht sinnvoll und zudem mit entsprechenden Kosten verbunden. Was ist also das erforderliche Mass und wie wird man die Unwucht los?
In der DIN ISO 1940 ist die Wuchtgüte G definiert, eine Verhältniszahl von Rotormasse, Restunwuchtmasse und deren Lage am Rotor sowie der Drehzahl des Rotors.

 

Quelle Formel: Die Auswuchter

In der Norm ist für verschiedene Rotoren festgelegt, welche Wuchtgüte zu erreichen ist. Für Ventilatoren ist die Wuchtgüte G6.3mm/s, für Gasturbinen oder PC-Laufwerke mit G2.5mm/s definiert. Kolbenmotoren haben wesentlich grössere Wuchtgüten (G40mm/s). Gasturbine und PC-Laufwerk haben die gleiche Wuchtgüte? Ja. Angenommen die Gasturbine und das PC-Laufwerk würden mit der gleichen Drehzahl ω laufen, müsste der Quotient (u·r)/m bei Gasturbine und PC-Laufwerk gleich sein. Die Massenunterschiede sind sehr gross, die geometrischen Abmasse und die Lage der Unwuchtmasse ebenfalls. Es kann also sein, dass bei der Turbine einige 100g Unwuchtmasse u vorliegen, während es beim PC-Laufwerk vielleicht gerade einmal x-zehntel Gramm Unwuchtmasse u sind. Und trotzdem haben die beiden Rotoren die gleiche Wuchtgüte. Im Allgemeinen darf die zulässige Unwuchtmasse umso größer sein, je schwerer der Rotor ist. Deshalb wird die zulässige Restunwucht Uzul auf die Rotormasse m bezogen.
Um die Unwucht zu detektieren, gibt es Auswuchtwaagen und Auswuchtmaschinen. Auswuchtwaagen nehmen den Rotor mit vertikaler Achse auf und messen die Unwucht an einem Rotor, während er NICHT rotiert. Auswuchtmaschinen hingegen haben eine horizontale oder vertikale Achslage und messen die Unwucht des Rotors während dieser rotiert. Angetrieben wird der Rotor in der Regel über Kardan- oder Flachbandantrieb.
Weiter ist wichtig zu wissen, dass es statisches und dynamisches Auswuchten gibt. Hierbei ist statisch nicht mit „nicht-rotierend“ zu verwechseln. Eine statische Unwucht entsteht, wenn die Rotationsachse einen parallelen Versatz zur Schwerpunktsachse hat. Die Unwucht befindet sich in einer Ebene. Es ist nur eine Ausgleichsmasse erforderlich zum Auswuchten.
Dynamisches Wuchten ist erforderlich, wenn die Rotations- und die Schwerpunktachse schief zueinanderstehen. Die Unwucht befindet sich auf zwei verschiedenen Ebenen und der Rotor taumelt in Folge dessen. Zum Auswuchten sind zwei Ausgleichsmassen erforderlich.

Beispiel

nicht ausgewuchtete Reifen

 

Praxis-Tipp

Rotoren aus Kunststoff können sich im Betrieb ggf. elastisch verformen. Dadurch verändert sich die Schwerpunktlage. Solche Rotoren werden daher am besten bei der Nennbetriebszahl ausgewuchtet. Wuchtmaschinen hierfür müssen entsprechend speziell ausgelegt sein und eine erhöhte Antriebsleistung aufweisen.
Je nach Rotortyp, Konstruktion und Werkstoff wird zum Auswuchten durch Bohren oder Schleifen Masse abgetragen (z.B. Bremsscheiben) oder es wird Ausgleichsmasse aufgebracht (z.B. Bleigewichte an Autoräder klippen).
Hat der Rotor keine eigene Welle und soll der Wuchtprozess möglichst rationell ablaufen, bieten einige Hersteller sogenannte Wechsel-Wuchtdorne an. Sie haben eine standardisierte Schnellspann-Schnittstelle (z.B. HSK63) zur Auswuchtmaschine und nehmen andererseits den Rotor auf und sichern ihn auf der Welle. Während also der eine Rotor im Auswuchtprozess ist, kann am nächsten Rotor schon ein anderer Wuchtdorn montiert werden. So hat die Auswuchtmaschine wenig Stillstandzeit.


Fazit

Bevor man sich also eine Auswuchtmaschine zulegt, muss man den notwendigen, bzw. geeigneten Auswuchtprozess für sein Bauteil kennen. Man muss sich also im Klaren sein, ob die Bauform des Rotationskörpers eine statische oder dynamische Auswuchtung erfordert. Ebenfalls ist eine sinnvolle Auswuchtdrehzahl vorgängig zu bestimmen falls möglich. Zudem muss der Hersteller von Auswuchtgeräten wissen, welche geometrischen Abmasse der Rotationskörper hat und welches Gewicht. In der Praxis bieten die Hersteller von Auswuchtmaschinen an, einen Beispielkörper von Kunden auszuwuchten, um die Wahl der Maschine zu bestätigen.

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