Ein Erfahrungsbericht aus der Sicht eines Produktentwicklers.
Wie setzen wir Simulationen und FEM Analysen in unseren Entwicklungen ein?
Es ist immer die Frage, ob man mit der Erfahrung und dem Know-how von anderen Projekten genügend Sicherheit hat, ob man eine grobe Berechnung machen möchte oder ob eine präzise Simulation notwendig ist. Die Gimelli Engineering AG ist kein Berechnungsbüro und auch nicht auf Berechnungen spezialisiert. Mit Erfahrungswerten kann man arbeiten, wenn man eine Reserve einbauen kann. Wir nutzen für eine grobe Berechnung einfache Tools, meist basierend auf unseren CADs. Sie dienen mehr zur qualitativen Aussage, d.h. für eine grobe Beurteilung oder um den Effekt von Optimierungen zu beurteilen. Wenn es eine präzise Berechnung braucht, nutzen wir unsere Partner, z.B. pinPlus. Dies ist der Fall, wenn Kunden oder Vorschriften einen entsprechenden Nachweis verlangen, oder wenn wir mit der Konstruktion an die Grenzen gehen.
Oft hat man FEM bereits in einer parametrisierten CAD Software integriert. Unterscheide in den Angeboten:
Es geht immer um die Unterscheidung, ob man eine qualitative oder quantitative Aussage erhalten möchte.
Qualitative Aussage: man möchte eine sehr grobe Berechnung machen, um ein Gefühl zu bekommen, wo man mit der Konstruktion ungefähr liegt. Oder man möchte sehen, wo oder wie stark sich Veränderungen an der Konstruktion auf die Belastungen auswirken.
Quantitative Aussage: hier will man den exakten Wert wissen. Eine quantitative Aussage muss professionell erstellt werden, weil die Qualität der Aussage extrem von der Aufbereitung der Daten, vor allem dem Vernetzen abhängig ist. Wählt man nicht die richtige Vernetzung an der richtigen Stelle, erhält man entweder falsche Werte (zu grob vernetzt) oder man benötigt übermässig viel Rechenleistung & -zeit (zu fein vernetzt).
Programme für eine schnelle, qualitative Aussage rechnen meist mit einer automatischen Vernetzung. Oft kann man die Vernetzung dann nicht oder nur global beeinflussen. D.h. es wird überall gleich fein vernetzt und man kann nur beeinflussen, wie fein die globale Vernetzung ist, was sich automatisch auf die Rechenzeit niederschlägt. So hat man keine Möglichkeit, an heiklen oder filigranen Stellen für ein präzises Ergebnis feiner zu vernetzen und in kaum belasteten oder groben Bereichen zur Einsparung von Rechenleistung grob zu vernetzen. Somit ist das eigentlich das Hauptproblem von den schnellen Varianten.
Bild 1: Professionelle Vernetzung eines Teils für quantitative Aussage. Quelle pinPlus: Tipp Digimat Case Study
Unterschiede Preisschienen: Je teurer das Programm, desto präziser wird die Berechnung. Desto mehr Rechenleistung und Aufwand benötigt man, respektive desto mehr Kenntnisse muss man selbst haben. Ein farbiges FEM Bild bringt nichts, wenn man es nicht selbst deuten und verstehen kann, was die Farben aussagen. Und wenn man nicht weiss, auf was es ankommt, erkennt man nicht, wann es kritisch wird und vor Allem wie aussagekräftig das Resultat ist.
Heute besteht die Tendenz: berechnen ist gut, optimieren ist das Ziel. Es gibt zunehmend mehr Angebote, die nicht nur berechnen, sondern mit möglichst wenig Aufwand gleich Optimierungen anbringen. Z.B. kann man die Topologie (kritische Stellen) verändern und sieht gleich, was passiert. Wenn man in den am meisten belasteten Bereichen gleich entschärfen kann, bringt das bei der Entwicklung am meisten Vorteile.
Worauf es bei FEM Simulationen am meisten ankommt.
Als Entwickler ist es wichtig zu wissen, was man macht, um schnell ein grobes Ergebnis zu haben. Beim Rechnungsspezialist ist bei einer FEM Analyse wichtig, dass er ein Ergebnis hat, auf das er sich felsenfest verlassen kann. Für den SLM Spezialisten, der additiv produziert, ist das wichtigste, dass er die Topologie verändern kann (Material, wenn nötig, wegnehmen und bei kritischen Punkten ergänzen).
Bild 2: Beispiel einer Simulation der Spannungen, die beim Aufdrücken eines Schnappers entstehen. (Simulation mit CADFEM Discovery Live)
Bild 3: Beispiel einer Simulation der Spannungen, die beim Halten eines Schnappers entstehen. (Simulation mit CADFEM Discovery Live)
Weitere Simulationen, neben der typischen Festigkeitsanalyse.
Es gibt sehr viele Simulationen, die mit einer entsprechenden Software umgesetzt werden können. In unserem Bereich setzen wir die Simulationen beim Spritzguss ein. Z.B. bei engen Teilen setzen wir eine Füllsimulation ein, um anschliessend zu sehen, ob das Teil gut gefüllt wird und wo es Fliessnähte gibt, die bei einem Teil Schwachstellen erzeugen. Diese stehen wiederum eng mit der Festigkeit in Verbindung. Wenn man also ein Spritzgussteil auf die Festigkeit berechnen will, muss man auch wissen, wie es gespritzt wurde. Ansonsten kann man keine genaue Aussage machen, weil die Spritzgussstruktur einen extremen Einfluss auf die Festigkeit hat. Auch der Verzug interessiert uns Entwickler sehr. Dies ist ein Bereich, der nicht mit einem einfachen Tool umgesetzt werden kann, da auch der Verzug nicht nur vom Teil, sondern von der Werkzeugkonstruktion und den Spritzparametern abhängt.
Z.B. wo, mit welchem Querschnitt, welcher Temperatur und welchem Druck eingespritzt wird, welche Temperatur mein Werkzeug hat, wie nahe an meiner Geometrie Kühlleitungen verlaufen können usw. Es wird nicht nur das Spritzgussteil berücksichtigt, sondern auch das Werkzeug und das Kühlverhalten. Dementsprechend kann man sich gut vorstellen, dass es wieder aufwändiger wird. Aber vielfach ist es genau das, was mich als Entwickler interessiert: Wie krumm wird mein Teil? Was passiert, wenn man eine Rippe einbaut? Zieht oder stösst die Rippe bei meinem Teil?
Parallel zu FEM gibt es Simulationen mit Flüssigkeiten, Gas, Strömungsverhalten und zum Teil auch Thermik. CFD Software sind meistens auf das ausgelegt. Es gibt auch Software die FEM und CFD kombinieren können. Heutzutage herrschen bei Elektronikgeräten enge Platzverhältnisse und wenig Luftaustausch, aber gleichzeitig immer mehr elektronische Komponenten, die Wärme erzeugen.
Bild 4: Beispiel einer Strömungs- und Temperatursimulation von Elektronikkomponenten.
(Simulation mit CADFEM Discovery Live)
(Simulation mit CADFEM Discovery Live)
Man kann eine Simulation durchführen, die die Wärmeentwicklung aufzeigt und was passiert, wenn Lüftungsschlitze eingebaut werden. Es gibt Abwandlungen von FEM, die spezifisch für z.B. Getriebe oder spezifische Baugruppen angewandt werden. FEM hat selbst sehr viele Bereiche der Simulation, es gibt schon von den Materialien her sehr viele Unterschiede. Metalle zum Beispiel sind viel berechenbarer als Kunststoffe, da Struktur und Verhalten bei Kunststoffen in vielen Bereichen nicht linear sind. Aber auch bei Metallen ist es wichtig zu wissen, wie lange man linear rechnen kann und wann z.B. plastische Verformung die Berechnung komplett verändert.
Bei Kunststoff kommt oftmals das Alterungsthema hinzu, z.B. Stahl altert sehr wenig, ist also eine fast zeitlose Berechnung. Wenn man aber eine Berechnung mit Kunststoff macht, hat man zum einen die Alterung des Ausgangsmaterials und die Eigenschaften, welche sich im Kunststoff verändern. Zum anderen aber auch die Alterung von der Baugruppe, respektive die Spannung in der Baugruppe. Wenn man etwas spannt, schwächt sich diese Spannung mit der Zeit ab, das heisst, wenn man ein Teil in ein anderes einpresst, kann es sein, dass es nach Jahren die Spannung verliert oder sogar herausfällt.
Nebst Alterung spielt auch das Umfeld eine Rolle. Bei Stahl kann Korrosion zu Problemen und Versagen führen. Bei Kunststoff können UV-Strahlung oder Chemikalien das Teil spröde machen und im schlimmsten Fall zerbröselt mir mein Teil nach einer gewissen Zeit.
Mehr Informationen über FEM-Simulationen in unserem Tipp: Digimat Case Study.