Brandschutz Normen

Im Interview mit Christian Graf, Leiter Entwicklung

Christian, Du bist als Leiter Entwicklung an vielen verschiedenen Entwicklungen von Produkten tätig. Welche Herausforderungen siehst Du hinsichtlich „Brandschutz“ und gibt es da Unterschiede in den Produkten?

Ich sehe zwei Herausforderungen. Die erste ist das Kennen der Richtlinien, die beim Produkt anwendbar sind und die zweite Herausforderung ist die Umsetzung der Vorschriften. Wie man erkennt, dass ein Produkt die Richtlinie in der Hinsicht des Bandschutzes erfüllt oder was ich mache, damit mein Produkt das Ganze erfüllt. Es ist sehr branchenabhängig, ob Kunden wissen, welches die aktuell gültigen Normen sind. Auch Einfluss hat, ob es das erste Produkt ist, das der Kunde auf den Markt bringt, oder der Kunde bereits etabliert ist. Wenn ein Kunde in der Branche schon etabliert ist, sind die Normen meist schon sehr gut eingehalten. Auch von Vorteil ist, wenn wir für den Kunden bereits ein solches Produkt entwickelt haben. Dann wissen wir in der Regel auch schon, was es zu beachten gibt. Anders ist es, wenn sich Richtlinien ändern. Da sind der Kunde und wir gefordert, es zu bemerken, wenn die Vorschriften ändern. Es gibt Branchen, bei welchen es nur Richtlinien für ein Gesamtsystem, aber nicht für das Produkt gibt. In diesem Fall muss man beurteilen, welche Rolle unser Produkt im Gesamtsystem hat und in welcher Hinsicht unser Produkt durch andere ergänzt wird. Bei der Umsetzung der Normen ist die Schwierigkeit meistens, dass inhaltlich anders formuliert und kategorisiert wird.

Grundsätzlich gibt es zwei Hauptunterschiede in Bezug auf eine Brandschutzprüfung: Einerseits geht es um die Materialität, wobei das spezifische Material eines Bauteils einzeln geprüft wird. Andererseits geht es um die ganze Baugruppe. Hierfür wird die Baugruppe in einer Prüfstelle getestet. Oder man muss anhand der Einzelteile ausfindig machen, welche Richtlinien und Normen das gesamte Produkt konform machen. Die Normen, die das gesamte Produkt betreffen, sind nachher auch nicht wirklich auf Rohmateriallieferanten kompatibel und es ist herausfordernd, geeignete Lieferanten zu finden. Einfacher ist es in Branchen, wo Kunststoffe sehr verbreitet sind und die Normen oftmals schon klar sind. Ein Beispiel ist die Norm UL94 V0: hier weiss der Rohmateriallieferant, welche Materialien bei welcher Wandstärke die Kategorie V0 erreichen. Wenn die Vorschriften nicht klar sind, werden oft intensive Recherchen notwendig.

Die Resonanz auf unseren Beitrag vom Mai 2017 ist nach wie vor gross. Inwiefern konntest Du unseren Kunden weiterhelfen und was hat sich seither verändert?

Hier ist die Schwierigkeit: Wie wälzt man eine Branchennorm, welche in einem Satz beschrieben ist, auf die Kennzahlen des Rohmaterials um? Wir haben in diesem Bereich viele Anfragen erhalten und konnten auch schon weiterhelfen, oder sind zum Teil noch an den Recherchen dran. Gewisse Normen haben sich bereits wieder verändert. Es gibt Branchen, bei denen die Vorschriften strenger geworden sind, zum Teil haben wir das gemerkt oder sind durch den Kunden darauf aufmerksam gemacht worden. Und nicht zuletzt wurde auch das Bewusstsein bei den Kunden durch unseren Beitrag im Mai 2017 geschärft, dass Brandschutz ein wichtiges Thema ist.

Wir sprechen in diesem Bereich oft von Kunststoffen. Welchen Herausforderungen stellen wir uns da? Sind dies dieselben unserer Kunden?

Wie bereits vorher erwähnt, ist die Herausforderung bei Kunststoff, dass manchmal die Normen nicht für Kunststoff gemacht sind. Wie z.B. in der Baubranche. Hier ist der Anteil an Kunststoff nicht gross. In dieser Branche geht es mehr um Holz, Beton usw. Dort wird viel mit Text gearbeitet. Vergleiche werden oftmals mit Materialien wie z.B. Spanplatten gemacht, diese auf Kunststoff abzuwälzen ist schwierig. Unsere Herausforderungen sind u.a. unterschiedliche Branchenkenntnisse, die Kunden sind da oft tiefer drin und der Know-How Transfer zu uns ist sehr wichtig. Andererseits schätzt ein Kunde aus der Baubranche unser Know-how in den Bereichen Kunststoff und Brandschutz, oder wie man ein Teil konstruieren muss, um die Normen zu erfüllen.

Nun ändern ja auch oft irgendwelche Standards und Normen. Was bedeutet dies für Produkte, die schon auf dem Markt sind?

Spannende Frage! Bei den verschiedenen Branchen ist das sehr unterschiedlich. Es gibt Normen, welche noch relativ lange über die Änderungen hinaus gültig bleiben. Und es gibt andere Branchen und Normen, bei welchen ein genauer Zeitpunkt definiert wird, ab wann das Gerät den neuen Richtlinien entsprechen muss. Z.B. bei einer Elektroinstallation, welche zum Zeitpunkt X noch relativ lange zulässig ist, sobald jedoch der Elektriker etwas ändert, muss er sicherstellen, dass sie anschliessend den aktuellen Normen entspricht, gleiches gilt meistens auch bei den Brandschutznormen.

Was kann man tun, um diese wieder auf Konformität zu prüfen bzw. zu bringen?

Beim Prüfen eignet sich ein theoretischer oder praktischer Weg. Wenn man ein fertiges Produkt hat, kann man damit zu einer Prüfstelle gehen und das Produkt „abflammen“ lassen, und so erkennen, wann es entflammt. Der theoretische Weg ist die Analyse. Hier wird geprüft, was sich geändert hat und das Produkt oder die Komponenten des Produkts werden angepasst. Anschliessend prüft man, ob es immer noch zulässig ist. Bei einer Anpassung ist oftmals nur eine Geometrie- oder eine Materialanpassung nötig. Bei bestehenden Produkten ist es schwieriger und kostenintensiver, vor allem in Bezug auf Spritzgussteile. Bei Geometrieanpassungen muss man Werkzeuge ändern und Platzverhältnisse müssen neu überprüft werden. Z.B. V0 Materialien sind immer gebunden an minimale Wandstärken. Materialwechsel ist sehr schwierig, da jeder Kunststoff ein anderes Fliess- und Schwundverhalten hat und somit nicht einfach so ein anderes Material im gleichen Werkzeug gespritzt werden kann. Auch bei Farben ist es schwierig. Verschiedene Materialien sind schwer auf die gleiche Farbe abzustimmen und wenn nur ein Teil aus einer Baugruppe ausgewechselt werden muss, kann das zu Differenzen von Anfang an oder mit der Zeit führen.

Nun kommt oft die Frage auf, ob die Konformität auf ein einzelnes Bauteil oder das gesamte Produkt gilt. Was ist hier eine massgebende Antwort?

Ob es konform ist, kommt darauf an, wie ich es ausgelegt habe. Wenn ich bei der Auslegung jedes Einzelteil angeschaut habe, ist jedes Einzelteil konform. Auf die Baugruppe kann ich dann schliessen, dass sie auch konform ist. Wenn nicht jedes Einzelteil konform ist, muss ich die Baugruppe separat prüfen. In der Regel ist es aufwändiger, wenn jedes Einzelteil konform sein muss. Auf der anderen Seite spare ich mir den Test, falls ich auf den Test nach Norm überhaupt verzichten kann.

Bei den vielen Normen und Tests verliert man ja schnell den Überblick. Wie bringt man Brandschutz für das Produkt und die effektive Funktion unter einen Hut?

Am besten ist es, wenn man bereits am Anfang an Brandschutz denkt, z.B. vor der Produktentwicklung im Pflichtenheft.

Oft fehlt der Gedanke an Brandschutz in der Konzeptionsphase. Wenn das Produkt erst einmal entwickelt ist und alle Funktionen schon vorhanden sind, wird es schwieriger, noch Rücksicht auf Brandschutzanforderungen zu nehmen. Alle Spezifikationen die man von Anfang an kennt, kann man einfacher erfüllen, als wenn man sie nachträglich erfüllen muss. Darum sprechen wir mit unseren Kunden immer zu einem frühen Zeitpunkt über Brandschutz. Fragen wie: „Haben Sie daran schon gedacht?“ „Gibt es etwas in Ihren Normen und Vorschriften?“ gehören zu unserem Standard in der Kreativphase. 

Was sind die Vorteile, Brandschutz schon in der Entwicklungsphase einzubeziehen?

Der Vorteil, Brandschutz schon in der Entwicklungsphase einzubeziehen ist, dass man Loops vermeiden und früh die Spezifikationen bezüglich Brandschutz umzusetzen kann.

Schulst Du Deine Mitarbeiter speziell im Bereich Brandschutz und gibt es noch verwandte Themen, die in diesem Bereich Berücksichtigung finden?

Wir machen gewisse Schulungen in Bezug auf Brandschutz, aber es ist nicht eines unserer Hauptthemen. Vielfach schauen wir direkt mit den Mitarbeitern am Produkt, ob Brandschutz ein Thema ist oder nicht.

Nebst Brandschutz gibt es viele verwandte Themen. Z.B. Anforderungen in Richtung Chemikalienbeständigkeit, die manchmal auch vergessen werden. Chemikalienbeständigkeit ist eigentlich ein ähnliches Thema wie Brandschutz. Am Anfang entwickelt man nur das Produkt und danach definiert man das Material, zum Schluss kommt der Kunde und sagt: „die Oberfläche muss beständig gegen Reinigungsmittel sein“, weil sie das Produkt regelmäßig reinigen. Häufig werden diese oder auch andere Themen beim Konstruieren am CAD vergessen.

Ein weiteres verwandtes Thema ist die IP Schutzklasse (Staub oder Wasserdichtheit). Auch hier können Dinge im Einzelteil berücksichtigt werden, andere müssen jedoch auch in der ganzen Baugruppe angepasst werden. Dann kann es sein, dass gewisse Eigenschaften nicht mehr funktionieren, wenn man einen gewissen Schutz erreichen will. Das einzelne Teil kann dadurch auch teurer werden. Wenn man z.B. bei Spritzguss einen Wasserschutz erreichen will, kann man keine Durchbrüche ins Teil integrieren zum Ausformen von Hinterschnitten wie z.B. Schnappern, sondern braucht Schieber und dass macht das Werkzeug teurer.

Wie kannst Du anderen Unternehmen auf diesem Gebiet helfen, wenn sie beim Thema Brandschutz noch wenig Erfahrung haben?

Wir unterstützen in der Projektsystematik, wie Brandschutz berücksichtigt werden muss.

Wir können aktiv betreffend Normen oder Materialien recherchieren, welche Norm entsprechend gilt und diese dann berücksichtigen, aber vielfach sind wir dann leider zu spät. Wenn die Fragen kommen, ist das Produkt oftmals schon entwickelt. Wir sind dann schon in einem Bereich, wo es darum geht, mehrheitlich zu analysieren und Vorschläge zu machen. Hier sind wir dann auch schon mit betriebswirtschaftlichen Komponenten oder Marketing konfrontiert. Oftmals ist das Projekt in einem Status, wo alle bereits etwas von dem Produkt kennen, das Marketing ein Design kennt und der Einkauf schon irgendwelche Preise vorgegeben hat. Schlimmstenfalls ist das Werkzeug bereits hergestellt, welches dann nicht verwendet werden kann. Idealerweise kommt der Kunde vor der Entwicklung zu uns.

Danke Christian für die Vertiefung in ein sehr spannendes Thema. Mehr zum Thema Brandschutz gibt es in unserem Tipp: Brandschutz bei Kunststoffen.

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