Brandschutz bei Kunststoffen – Anforderung mit bedeutender Rolle
Der Einsatz von Kunststoffen bedingt oft auch die Einhaltung von gewissen brandschutztechnischen Standards. Vorwiegend in der Elektrotechnik finden sich einschlägige Normen, welche sich auch ständig dem aktuellen Stand der Technik anpassen und länderspezifische Unterscheide aufweisen. Gängige Prüfzeichen auf Elektrogeräten sind IEC, VDE, UL, DIN, CE, GS und andere Institutionen. Oft auch nebeneinander verwendet, um ein Gerät in verschiedenen Ländern auf den Markt zu bringen. Die Anforderungen betreffend Brandschutz bedingen eine sorgfältige Auswahl des einzusetzenden Kunststoffs und haben auch konstruktive Einflüsse.
Brandschutznormen
In den jeweiligen Normen für elektrisch betriebene Geräte und Einrichtungen sind die Anforderungen an die Kunststoffe beschrieben. Die festgehaltenen Massnahmen betreffen nicht nur den Kunststoff selber sondern auch die Konstruktion des Bauteils. Einerseits sollten Werkstoffe ausgewählt werden, welche eine geringe Entflammbarkeit und Flammausbreitung aufweisen, andererseits aber auch eine konstruktive Begrenzung der Temperatur im Störungsfall sicherstellen. In Europa hat sich hier die International Electrotechnical Commission (IEC) durchgesetzt. Daraus folgend die Europäischen Ableitungen DIN und VDE. In den USA wird die Underwriter Laboratories (UL) und in Kanada, wo die Sicherheitsbestimmungen der Canadian Standards Association gelten, entsprechend die CSA angewandt. Grundsätzlich ist die in Europa IEC 60947 und die in den USA massgebende UL 508 von zentraler Bedeutung. Bei Hausinstallationen sind es die IEC 60898 und die UL 1077. Bei Hausgeräten gelten die verschärften IEC 60335 (mit 85 Unternormen) und die UL 60335 als Grundlage. Bei Schienenfahrzeugen können begleitend auch die Französischen Normen NF 16101 oder die DIN EN 45545 von Bedeutung sein.
Unterschiede der Brandschutznormen
Durchaus verfolgen alle Normen dasselbe Ziel: „Der grösstmögliche Schutz von Leben und Sachwerten“. Doch sind die Vorgaben, der Prüfumfang und die Methode bezüglich des Brandverhaltens unterschiedlich. Die Prinzipien der Werkstoff und Bauteilzulassung stehen sich dementsprechend gegenüber. Die UL stützt sich auf die Prüfung der Werkstoffe und dokumentiert dies in der sogenannten gelben Karte (Yellow Card). Die Anforderungen an Kunststoffe fasst die UL 746 C zusammen (Polymeric Materials – Use in electrical equipment evaluations). Die Europäische IEC legt den Schwerpunkt je nach Einsatzgebiet entweder auf die Werkstoff- oder auf die Bauteilprüfung.
Prüfung des Brandverhaltens
Bei allen Prüfverfahren werden die Zündquelle und ihre Einwirkung auf den Prüfkörper festgelegt. Der wesentliche Punkt der Prüfung ist das Brandverhalten des Werkstoffs oder des fertigen Bauteils. Unterschiedliche Prüfverfahren messen
- die Entzündbarkeit,
- die Flammausbreitung (Selbstverlöschung),
- den Beitrag zur Wärmeentwicklung und
- die Entwicklung von Brandgasen und Rauch.
Zu den wesentlichen Testmethoden für Bauteile zählt die Glühdrahtprüfung nach IEC 60695. Dabei wird ein heisser Draht für eine vorgegebene Zeitdauer gegen das Formteil gedrückt und festgestellt, ob der Prüfling entflammt, wie lange er brennt und ob brennendes Material abfällt.
.
In der Werkstoffprüfung ist der Beflammtest nach UL 94 von hoher Bedeutung. Die Bunsenbrennerflamme wirkt zweimal kurzzeitig auf den Prüfling ein. Die Brennzeit und die abfallenden Teile auf einem Wattebausch werden ermittelt. Das Ergebnis ist eine Einstufung der Brennbarkeitsklasse V (vertikal: UL 94 bzw. horizontal: HB).
Der Beflammtest ist immer abhängig von der Wandstärke des Probekörpers und sollte zusammen mit dem HWI (Hot-Wire-Ignition-Test) und dem HAI (Highcurrent-Arc-Ignition-Test) betrachtet werden.
Die Klassifizierung erfolgt in Stufen von 0 bis 4, wobei 0 die beste Bewertung ist. Daraus ergibt sich die Zulassung nach UL 746C.
Die UL 746C-Zulassung kann einfach erklärt werden: Es handelt sich um die Kombination der UL 94-Brandklasse nach UL 94 (V0 bis V2) mit den HWI- und HAI-Werten.
Die roten Felder in der Tabelle „Materialanforderungen für E+E“ entsprechen der Zulässigkeit.
Tipps für die Entwickler
- Das Brandverhalten von technischen Kunststoffen ist sehr unterschiedlich ausgeprägt.
- Die Höhe des Schmelzpunktes von Thermoplasten gibt keine Aufschluss über das Brandverhalten und ist somit nur für die Fertigung von Bedeutung.
- Relevant betreffend dem Brandverhalten ist der Low Oxygen Index (LOI).
LOI definiert den notwendigen Sauerstoffanteil in der Umluft, bei dem das Material gerade nicht mehr brennt. Mit einem LOI von 15 gilt z.B. POM als leicht brennbar. Bei Polyamid und PBT liegt dieser bei etwa 24 und kann mit geeignetem Flammschutzmittel angehoben werden. Die Hochleistungskunststoffe Polysulfon und Polyethersulfon weisen einen LOI von 30 bis 38 auf – und sind somit in normaler Atmosphäre nicht brennbar und brauchen daher keine zusätzlichen Flammschutzmittel.
- Universell einsetzbare Flammschutzmittel sind halogen- und bromhaltige Substanzen. Auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen müssen Bauteile mit diesen Zusätzen aber kostenintensiv und separat verwertet werden. Daher tendiert der Markt in Richtung halogenfreier Flammschutzsysteme, welche aber nicht mehr universell einsetzbar sind und auch andere Einflüsse auf die Eigenschaften des Materials nach sich ziehen.
- Bei der Konstruktion muss auf die zulässigen Wandstärken der jeweiligen Werkstoffe geachtet werden. Beispiel: Bei einem Bauteil aus einem Werkstoff mit der Zertifizierung UL V-0 ab 0.8mm auf der Yellow Card muss die Mindestwandstärke 0.8mm aufweisen, damit das Bauteil als V-0 betrachtet werden kann. Sind alle Bauteile eines Produkts UL V-0 zertifiziert, so kann davon ausgegangen werden, dass das gesamte Produkt V-0 konform ist. Sind hingegen nicht alle Bauteile eines Produkts V-0 konform, kann das Produkt durchaus V-0 sein, z.B. wenn nur kleine Mengen nicht-V-0 konformes Material verwendet werden. Dies muss aber zwingend mit einem Flammtest in einem akkreditierten Labor nachgewiesen werden.
- Aufgrund der EU-Elektro-/Elektronikschrottverordnung (WEEE), sowie aus Gründen des Gesundheitsschutzes sind halogenfreie Flammschutzmittel das Ziel. Bei der Auswahl der Farbe des Produkts in der Designphase muss schon auf die Flammschutzzertifizierung mit den angegebenen Farben und Wandstärken geachtet werden. Je nach Flammschutzmittel können Kunststoffe nicht in allen Farben eingefärbt werden. Polyamide werden z.B. durch roten Phosphor als Flammschutz rötlich. Wer helle Farbtöne sucht, benötigt Kunststoffe mit anderen Flammschutzmitteln.